Hannoversche Allgemeine Zeitung
Schlacht gewonnen
Sechs Absolventen der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover kämpfen sich durch Elfriede Jelineks „Bambiland“, in dem Ereignisse des IrakKrieges sowie westliche Meinungen und Medienberichte darüber reflektiert werden.
„Und dann schlägt sie ein, wumm! Daneben! Schon wieder daneben! (…) Es ist noch ungeklärt, wieso die auf dem Al-Nasser-Markt in Bagdad eingeschlagen hat, wohin sie nun wirklich nicht gehört hätte. So was gehört sich nicht. Es muss dort was anderes eingeschlagen werden, die sollen uns sagen was, denn die Wirkung war toll, nicht schlecht …“, jubelt die Truppe.
Sechs Absolventen der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover kämpfen sich durch Elfriede Jelineks „Bambiland“, in dem Ereignisse des IrakKrieges sowie westliche Meinungen und Medienberichte darüber reflektiert werden. Eine Stunde und 50 Minuten lang, ohne Pause. Am Ende gewinnen die Schauspieler die verbale Schlacht, die sie sichtlich erschöpft hat: Das Premierenpublikum in der ausverkauften Kunsthalle auf dem hannoverschen Faust-Gelände applaudiert minutenlang. Dabei war es auch für die Zuschauer im Saal kein Theaterabend zum entspannten Zurücklehnen.
Elfriede Jelinek steht für sperrige Texte und unbequeme Themen. Dass die Schauspielabsolventen sich für ihre Diplomarbeit mit „Bambiland“ (Regie: Nora Somaini) eines ihrer irrwitzigsten, zugleich aber auch anspruchsvollsten Stücke ausgesucht haben, ist in zweierlei Hinsicht mutig: Sie haben nicht gerade einen Publikumsmagneten gewählt, vor allem aber wird den Darstellern enorm viel abverlangt. Auf Grundlage der Tragödie „Die Perser“ des griechischen Dichters Aischylos hat die österreichische Literaturnobelpreisträgerin mehrere unterschiedliche Sprachebenen ineinander gefügt.
Die mephistophelisch schwarz-weiß geschminkten, in Feinripp-Unterwäsche und mit Spielzeuggewehren agierenden Schauspieler (Kostüme: Miriam Schliehe) ahmen im Chor den Nachrichtensprech von CNN nach, dreschen im nächsten Moment Stammtischphrasen, schlüpfen in die Rolle von militärischen Befehlsgebern, verwundeten Soldaten oder irakischen Zivilisten. Zwischendurch wird auch mal gesungen oder der „Wumms“ vom Einschlag einer „Tomahawk“-Rakete dröhnt aus den Lautsprechern. Doch die meiste Zeit prasseln Worte auf das Publikum ein. Sprache ist Jelineks Waffe.
Neben Leonie Rainer, Ayana Goldstein, Johannes Fleischer, Robert Lang und Carsten Faseler spielt auch der vor vier Jahren bei „Wetten, dass …?“ verunglückte Samuel Koch mit. Angesichts der massiven Sprachgewalt des Stücks, rückt die Tatsache, dass er sich nur im Rollstuhl über die Bühne bewegen kann, fast vollständig in den Hintergrund. Sprache kann auch ein hervorragendes Ablenkungsmanöver sein.
von Kerstin Hergt