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GESPRÄCHE MIT ASTRONAUTEN - KRITIKEN

Hannoversche Allgemeine Zeitung

Krach in Knautschland - „Gespräche mit Astronauten" im Expo-Studiotheater

Helga heult schon wieder Beziehungsweise noch immer. Die Gastmutter von Irina weint eigentlich ständig: Wenn sie ihren Mann Walter sieht, wenn jemand den Lichtschalter drückt oder wenn ihr Au-pair-Mädchen Irina in das winzige Zimmer im Keller umzieht Irina wieder-um versteht die Weinerei nicht. „Du hast es doch gut. Du hast einen schönen Mann, viele Kinder und ein schickes Haus“, hält sie ihrer Gastmutter vor. Helga stampft  auf den weißen Holzboden. „Ja", kreischt sie, „genau das ist es ja!“
Es ist nur einer der herrlich absurden Momente in „Gespräche mit Astronauten“. In dem Stück von Felicia Zeller reisen Au-pairs aus Phantasieländern wie Rostland, Okulele und Stohlen nach Knautschland, um das Leben dort kennenzulernen Die Anspielungen sind eindeutig: Der Akzent der Mädchen klingt osteuropäisch, die Sprache „Knautsch“ im Stück, spricht man auch in der Schwatz. Es geht um Deutschland. Um seine Spießbürger. Ein weißer, nach hinten und vorn offener Quader ist das Zentrum der Bühne. Er wird durch den Einsatz von Bürostühlen oder Bügeleisen mal zum Wohnzimmer, mal zur Küche der Familien. Die Inszenierung von Regisseur Titus Georgi im Studiotheater Expo Plaza überzeugt durch Ideenreichtum, Witz und Tempo. Die Schauspieler der Hochschule für Musik, Theater und Medien - die hier ihr Diplomprojekt abliefern -, spielen schön überdreht. Und haben viel zu tun. Wenn Gastschülerin Olanka ein Sporttrikot überstreift, wird sie zum Jungen Peter. Der Einsatz der Accessoires gibt Orientierung. Bei den vielen Rollen, die die Darsteller spielen, braucht es die auch.
Das Stück hat viel Tempo: Die Figuren schleudern abgehackte Halbsätze durch das Studiotheater. Dann blödeln sie als Kleinkinder auf dem Boden herum und brüllen sich an. „Gespräche mit Astronauten“ ist schrill, witzig. Und kritisch.
Denn schnell kommt es zum Krach zwischen den Au-pairs und den Familien Der Grund sind meist die Gasteltern. So ist Maren mit ihrer Arbeit bei der TV-Firma „Ödnis" überfordert. Zum Geburtstag schenkt sie ihrem Au-pair Olga ein Handy - mit Sensor, über den sie Olga orten kann. Die nah am Wasser gebaute Helga wiederum beutet Irina als Dauerbabysitterin aus und überfrachtet sie mit Listen voller Regeln. Gastmutter Gabriele schüttet ihrer Gasttochter als Bestrafung kochendes Wasser über die Hand.
Die Gastschüler legen unfreiwillig offen, wie zerrüttet die Verhältnisse in Knautschland tatsächlich sind. Autorin Zeller zeichnet Porträts von dekadenten Familien, die nicht funktionieren. Von Eltern, die politisch korrekt wirken wollen, aber beim kleinsten Widerstand die Fassung verlieren. Und von Opportunisten, die erst durch Au-pairs bemerken, wie sehr sie den eigenen Lebensentwurf in Wirklichkeit ablehnen. Diese bissige Schelte am vorgelogenen Familienglück brennt sich ins Gedächtnis, weil Zeller sie als leichte Kost serviert. Stets kommen die Pointen mit viel schwarzem Witz. Wild, chaotisch, hervorragend

Von Gordon Barnard

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GESPRÄCHE MIT ASTRONAUTEN

 

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