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Ich brauch dich (Für mich)

Hannoversche Allgemeine Zeitung

„Was koche ich für meinen Ehemann?"

Jan Konieczny inszeniert mit Schauspielstudenten im Expo Theater „Ich brauch dich (Für mich)" von Wolfdietrich Schnurre

Das Leben der Frau, so informiert die Zuschauer ein Werbefilm, der im Foyer des Studiotheater Expo Plaza vor der Aufführung gezeigt wird, kreise allein um zwei wichtige Fragen: „Was soll ich anziehen?" und „Was koche ich heute Abend für meinen Ehemann?" Damit steckt man auch schon tief drin in der Welt des Schriftstellers Wolfdietrich Schnurre, einem der wichtigsten Vertreter der Trümmerliteratur, also jener Literatur, die sich mit dem Leben in Deutschland und der Kriegsheimkehrer kurz nach dem Zweiten Weltkrieg befasste.

Schauspiellehrer und Regisseur Jan Konieczky hat eine eigenartige Wahl getroffen, Schnurres Geschichte erzählt vom Aufbau des Wirtschaftswunders, vom Trauma der Menschen nach dem Krieg, von den dunklen Seiten einer längst nicht mehr existierenden Zeit. Was sollen Schauspielstudierende der Hochschule für Musik, Theater und Medien im dritten Jahr damit anfangen?

Viel, stellt sich im Laufe des Abends heraus. Der Text des Stückes ist Schnurres gleichnamigem Buch von 1976 entnommen, in dem er in Dialogen nicht - im Gegensatz zu anderen Vertretern der Trümmerliteratur - tief in das Kriegstrauma einsteigt, sondern es als Hintergrundrauschen über Beziehungen schweben lässt, die er psychologisch dekonstruiert.

Die Studierenden spielen diese Dialoge immer mit leichter Übertreibung und viel Elan in wechselnden Rohen. Als Bühnenbild dienen Tische, Stühle, ein Bett, ein minimaler Raum also, der vor hohen, grauen Stellwänden gebaut wird.

Es ist diese leichte Übertreibung, diese Überdrehung der Dialoge, die eigentlich die Abgründe in der Banalität des Alltags einfangen sollen, die den Text von seiner Zeit abkoppeln. Die Dialoge schweben im Raum nicht als Zeugnis ihrer Zeit, sondern als Fragmente von Beziehungen, die sich wie auf einem fremden Planeten abspielen.

Immer wieder brechen dann aber doch zeitgeschichtliche Eigenheiten durch: Zigarettenspender, beispielsweise, oder das Dekor der Möbel. Am wichtigsten, aber sind die Filme, die Zwischen den einzelnen Dialogen eingespielt werden, in denen Vertreter genau der Generation, um die es Schnurre ging, zu sehen sind, wie sie in kurzen Passagen von ihrem Leben erzählen. Das übertriebene Spiel lässt die Textstücke wie abgekoppelt von ihrer Zeit wirken - die Filme verweisen darauf, dass sie doch in der Wirklichkeit wurzeln.

So tasten sich die Studierenden an eine fremde Welt heran und finden darin oft erstaunlich aktuelle Dynamiken. Rassismus gegen italienische Gastarbeiter, beispielsweise, oder die Frage nach Rollenverteilungen zwischen Männern und Frauen in unterschiedlichsten Beziehungsmodellen.

„Ich brauch dich (für mich)" changiert den ganzen Abend zwischen charmanter 5Oer-Jahre-Nostalgie und bitterer, banaler Realität, schafft es aber, sich so weit aus seiner Zeit zu lösen, dass man der Inszenierung den Muff der Vorlage nicht anmerkt.

Jan Fischer

Dokumentation Schauspielschultreffen

Nachkriegszeit. Männer sind rar. Da muss Frau jeden nehmen, und wenn sie sich noch so sehr verbiegen muss. Bitterböse Paarungen tischen die Schauspieler aus Hannover auf, garniert mit viel Witz und Humor. Regisseur Jan Konieczny holte die weithin vergessenen Szenen von Wolfdietrich Schnurre ans Tageslicht, eine Abrechnung mit der Scheinheiligkeit der Nachkriegszeit. Eine ferne, eine historische Zeit für seine Studenten. Wie sollen sie diese exotischen, verstaubten Texte spielen? Sie gehen in die Groteske, sie machen es mit Ironie, aber immer mit Gefühl. Sie nehmen ihre Figuren an ihr Herz, sie stellen sie aus. Was für ein Augenblick, wenn die von ihrem Mann herumkommandierte Hausfrau (Julia Duda) mit einer Pistole auf dem Tisch steht, im neuen Kleid, und ihr Mann muss zuhören, zum ersten Mal in ihrer Ehe. Sie erzählt, wie sie im Zirkus ihren Kopf in das Maul des Zirkuslöwen steckte. Eine Heldin! Leider nur so lange, bis sie die Pistole dem Dompteur wiedergeben muss. Schon ist ihr Mann wieder obenauf. Wie Julia Duda spielt, dass sie eine Alte spielt, ist bravourös. Alle Paar-Szenen sind brillant, die Schauspieler wagen sich furchtlos in die Übertreibung und gewinnen. Sie machen die Ungeheuerlichkeiten klar und verdaulich, bis die bitter aufstoßen. Wenn der frischgebackene Witwer das tote Baby der netten jungen Frau einfach zur gerade beerdigten Ehefrau in den Sarg legt, weil sie keinen Sarg bezahlen kann. Und dann mit ihr was trinken geht. Wenn die beherrschte Firmen-chefgattin ihrem Mann klar macht, dass er nicht einfach in das griechische Dorf fahren und um Vergebung bitten kann für das, was er im Krieg getan hat. Verdrängung, Verbiegung, Täuschung, Machtkämpfe. Die Architektin lässt ihre Männer Revue passieren, die sitzen und stehen unbeweglich um sie herum. Ganz schön gruselig, was sie da erzählt und dabei betrunkener und betrunkener wird. Eine Frau, die selbständig sein und dazu einen Mann haben wollte. Aber das, das geht nun wirklich nicht. Einen Solopreis erhielt Isabel Tetzner als Architektin.

Ulrike Kahle Steinweh

WEITERE INFORMATIONEN:
Ich brauch dich (Für mich)

PREIS BEIM BUNDESWETTBEWEB – SCHAUSPIELSCHULTREFFEN IN BERN

Isabel Tetzner beim 27. Theatertreffen deutschsprachiger Schauspielstudierender in mit einem Solopreis für ihre Rolle der Architektin in "Ich brauch dich (Für mich)" ausgezeichnet.

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