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Verbrechen und Strafe – nach Dostojewski

Hannoversche Allgemeine Zeitung

Sie wollen doch nur spielen

Hannoversche Schauspielstudenten der HMTH zeigen „Verbrechen und Strafe“ nach dem Roman von Dostojewski auf dem Expo-Gelände.

Sie haben sich viel vorgenommen: Sie wollen Schauspieler werden. Die Ausbildung an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover dauert vier Jahre. Es müssen Prüfungen abgelegt werden. Und es muss gespielt werden. Dazu haben die Studenten ein Theater mit großer Bühne und all der notwendigen Theatertechnik an ihrem Studienort, dem Kurt-Schwitters-Forum auf dem Expo-Gelände.

Dort treten jetzt die Studenten des 3. Studienjahres auf. Sie haben sich viel vorgenommen, denn sie spielen Dostojewskis „Verbrechen und Strafe“. Die Aufführung dauert länger als vier Stunden. Wer den Zuschauern so etwas zumutet, muss von sich und seinem Können überzeugt sein. Aber Selbstbewusstsein ist bei Künstlern ja keine Schande.

Grell-absurde Revue

Dostojewski erzählt in seinem 800-Seiten-Roman die Geschichte des Studenten Raskolnikow, der – berauscht vom Gefühl der Überlegenheit – eine raffgierige Pfandleiherin erschlägt (und eine zufällige Zeugin des Mordes tötet), er erzählt von Sonja, der gläubigen Hure, von Raskolnikows Schwester, von Leidenden und Sterbenden, und er erzählt davon, was Armut mit den Menschen macht.

Die Schauspielstudenten bringen den Roman als grell-absurde Revue auf die Bühne. Nora Somaini und Titus Georgi, die beiden Regisseure, haben Wert darauf gelegt, dass den Studenten viel Arbeitsmaterial zur Verfügung steht. Man setzt auf Emotionen. Es fließen Tränen.

Die Figur des Raskolnikow (was übersetzt „der Gespaltene“ heißt) ist hier ganz offensichtlich ein gespaltener Charakter. Zwei Darsteller (Alex Friedland und Gabriel Kähler) bringen ihn auf die Bühne, mal verzweifelt, mal aufbrausend, oft an der Grenze zum Wahn. Die beiden Vollbartschauspieler sind einander sehr ähnlich. Sollten sie einmal in einer Krimiserie mitspielen, dürften sie keinesfalls das Ermittlerteam geben.

Die Bereitschaft zu Nacktszenen

Der Schauspielerberuf ist ein harter Beruf, es reicht ja nicht, gut zu sprechen und sich gut zu bewegen. Es reicht auch nicht, seine Haut zu Markte zu tragen und Hingabe mit der Bereitschaft zu Nacktszenen zu demonstrieren. Es kommt auch darauf an, ein besonderer Typ zu sein. Und da hat dieser Studentenjahrgang viel zu bieten.

Großartig ist Sandra Bezler als Staatsanwältin. Sie ist sehr elastisch und gleichzeitig immer unter Spannung, hier ein nervöses Lachen, da ein Handgriff, der wie unbedacht wirkt, aber doch groß und wichtig ist. Sie ist eine Meisterin der Nervosität, vieles spielt sie nur so eben an, aber trotzdem drückt sie alles mit großer Klarheit aus; ihr gelingt das Kunststück, das Große klein und das Kleine groß zu machen. Gut möglich, dass diese Schauspielerin demnächst als Kommissarin im Fernsehen zu sehen ist. Oder als Komikerin.

Mut zur Hässlichkeit

Auch Melina Borcherding als Sonja hat etwas Besonderes. Ein Geheimnis, eine besondere Form der Zurückhaltung und der Ruhe und gleichzeitig diesen Elan, den ein guter Schauspieler braucht. Über den verfügt auch Robert Zimmermann als Anwalt Luschin. Er ist feurig, hat aber die Kontrolle. Und er ist ein hervorragender Sprecher. Auch von ihm wird man – wenn es in der Branche einigermaßen gerecht zugehen sollte – sicher noch hören.

Ein guter Schauspieler muss aus sich herausgehen, aber er muss aufpassen, dass er nicht im Äußerlichen landet. Er muss laut sein können, ohne dabei zu dröhnen. Er muss sich ausstellen, aber Souverän seiner selbst bleiben. Seine Hingabe muss eine gewisse selbstverständliche Kraft haben. Er muss Mut zur Hässlichkeit haben. Er muss das Besondere pflegen. Es ist ein schwerer Beruf, und vieles kann man vielleicht gar nicht lernen. Und manche schaffen es nie.

Aber bei diesem Dostojewski-Abend sind einige zu sehen, die es sicher schaffen werden.


Ronald Meyer-Arlt

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